Macht der Begriff Feministische Theorie ein großes Fragezeichen im Kopf? Oder eine Ahnung, dass gleich wieder ein männerdiskriminierender Artikel zu lesen ist? Müssen Frauen ihre eigene Theorie in der Wissenschaft bekommen? Und warum gibt es keine Maskuline Theorie?
Tja, alle diesen Fragen wird hier wohl keine direkte Antwort geliefert. Es soll hier ja nicht darum gehen, etwas zu rechtfertigen, sondern zu informieren. So soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, auf Argumente und Personen der Feministischen Theorie zu verweisen, die für das Machen und Denken kritischer Geographie in unseren Augen hilfreich sind.
„Wie weiblich ist die Nacht?“
Titelten Claudia Wucherpfennig und Katharina Fleischmann in ihrem Artikel zu feministischen Geographien. Kategorien des Männlich/ Weiblichen werden dazu benutzt, positiv/ negativ Akzente zu setzen. Während weiblich häufig eine Klangfarbe in Richtung „passiv, unterlegen, ängstlich und schwach“ besitzt, steht der männliche Gegensatz häufig für positiv besetztere Wörter, wie „aktiv, dominant, wagemutig und stark“. Diese Zuschreibungen sind willkürlich und durch die Gleichmacherei und Etikettierung von den Männern/ dem Männlichen und den Frauen/ dem Weiblichen verwischen individuelle Unterschiede.
Interessant ist nun, dass auch in unseren Wahrnehmungen von Räumen sowohl unsere geschlechtsspezifische Prägung („Ich sehe mich als eine Frau also muss ich auf die Frauentoilette gehen“/ „Ich bin eine Frau, die Dunkelheit ist für mich gefährlich“), wie auch die im Volksmund tradierte Geschlechtlichkeit von Raum („Frauen müssen auf die Frauentoilette gehen“/) und Zeit („Die Nacht ist für Frauen gefährlicher als der Tag“) Auswirkungen auf unser Handeln besitzen.
Gender strukturiert somit Handlungsentscheidungen. Dessen Definition entscheidet in unseren Gesellschaften über Macht und Ohnmacht, über Zugangschancen (Kampf um politische Rechte) und Ressourcenverteilung.
„Kleinste gemeinsame Nenner“ feministischer Geographien
Elisabeth Bäschlin und Verena Meier Kruker formulierten 1995 einen Ansatz, der als „kleinster gemeinsamer Nenner“ für feministische (Human)Geographien bezeichnet werden könnte. Hierbei wird ebenso der Unterschied zu Frauenforschung verdeutlicht:
Wir wollen die geschlechtsspezifischen Arbeits- und Lebenssituationen aufzeigen, wollen den unterschiedlichen Lebenszusammenhang von ‚Männern‘ und ‚Frauen‘ als soziale Kategorie herausarbeiten. Dies wird gemeinhin als Frauenforschung bezeichnet.
Feministische Forschung will mehr. Sie will die verschiedenen Formen der Diskrimminierung, die sich aufgrund von gesellschaftlichen Rollenzuweisungen für Frauen
[und Männer, A.d.R.] ergeben, aufdecken. Und schließlich ist es Ziel einer feministischen Wissenschaft, patriarchale Machtansprüche abzubauen und geschlechtsspezifische Ungleichgewichte und Diskriminierungen aller Art aufzuheben.
(Bäschlin, Meier 1995, S. 248; zit. n. Fleischmann, Meyer-Hanschen 2005, S. 33)
Konzepte und Methoden
Wenn es um das Handwerk feministischen Schreibens geht, dann wird häufig auf die Postulate von Maria Mies (1978) verwiesen. Es geht jedoch vorrangig um die Kenntlichmachung oder Benennung der Verortung der eigenen Sichtweise (wer bin ich, woher komme ich) aber auch um die Kennzeichnung von Wirkungs- und Verwertungszusammenhänge (was will ich wissen und mit welchem Zweck, wie ist meine Position zum Untersuchten). Es geht zu dem häufig auch um die Hinterfragung und Aufdeckung (sowohl eigener als auch fremder) hierarchischer (geschlechtsspezifischer) Machtmechanismen und damit das Empowerment marginalisierter Gruppen.
Feministische GeographInnen
Wenn hastig nach wissenschaftlich Tätigen im feministischen Bereich gesucht wird, stechen vielen vorrangig englischsprachige AutorInnen in die Augen; zu nennen etwa Doreen Massey, Linda McDowell oder Gill Valentine. Vor dem Hintergrund des „Muffs von 1000 Jahren“, wie auch dem Eisernen Vorhang kein Wunder, dass die deutschsprachige Geographie dem ein wenig hinterher zu hinken scheint. Doch es gibt feministisch arbeitende GeographInnen auch hier! Z.B. in Berlin (Dörte Segebart), in Bern (Doris Wastl-Walter), in Hamburg (Sybille Bauridl, Anke Strüver), in Jena (Katharina Fleischmann), in Frankfurt am Main (Claudia Wucherpfennig), in Zürich (Elisabeth Bühler-Conrad), in Luzern (Verena Meier Kruker) und wahrscheinlich in noch viel mehr Städten!
Nachschlagen
Wer mehr über feministisch Geographische Forschung und Wirken erfahren will, ist außerdem gut beraten, sich auf den Seiten der feministischen Geo-RundMail zu Standpunkten und Literaturempfehlungen verschiedenster Themen (Gender und ländliche Geographien, Konfliktforschung, politische Geographie, Ökologie etc.) umzuschauen.
Mehr zu Buchempfehlungen und Arbeiten feministischer Geographinnen auf der HP der Uni Bern.
Hilfe und Inspiration für diesen Beitrag waren u.a.
das Buch von Katharina Fleischmann und Ulrike Meyer-Hanschen (2005): Stadt Land Gender. Eine Einführung in Feministische Geographien. Ulrike Helmer Verlag. Königstein/ Taunus.
Claudia Wucherpfennig und Katharina Fleischmann (2009): Feministische Geographien und geographische Geschlechterforschung im deutschsprachigen Raum. In: ACME: An International E-Journal for Critical Geographies, 7 (3), S. 350-376.
Das Zitat stammt aus dem Buch von Elisabeth Bäschlin und Verena Meier Kruker (1995): Feministische Geographie – Spuren einer Bewegung. In: Feministische Perspektiven in der Wissenschaft, Züricher Hochschulreform, Band 21, S. 125-138.
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Alle Links gehen zurück auf den 25.August 2012.